DAB 07/2002 | Quo vadis, Architektenwettbewerb?
... zum Wettbewerbswesen in Rheinland-Pfalz
Zu teuer, zu aufwendig, zu langwierig, zu risikoreich ... unser Wettbewerb. In seltener Einmütigkeit über Parteigrenzen hinweg werden in Verwaltungen und politischen Gremien schlagkräftig Argumente gestreut, welche jede Entwicklung einer Wettbe-werbskultur im Keim ersticken.
Zu teuer, zu aufwendig, zu langwierig, zu risikoreich ... Hand aufs Herz, es gibt auch den einen oder anderen Kollegen, der sich einen Leistungswettbewerb gar nicht ernsthaft wünscht; vor allem etablierte Büroinhaber sind zuweilen durchaus zufrieden, wenn sich die Auftragsbücher auch ohne den lästigen Wettbewerbsstress füllen, und wer will denn schon junge Konkurrenz ins eigene ‚Revier‘ holen?
So hat er es nicht leicht, unser Wettbewerb. Die potentiellen Auftraggeber wollen ihn nicht und die Basis der Architektenschaft fördert ihn auch eher zögerlich. Nur ein versprengtes Häuflein ‚Unverbesserlicher‘ hält ihm die Stange und hofft auf Einsichten. Was tun? Zuerst einmal Aufräumen mit den falschen Argumenten bei den Entscheidungsträgern!
Zu teuer? Von wegen; in einer kürzlich veröffentlichten Analyse zeigt Prof. Rolf Neddermann am Beispiel eines durch-geführten Realisierungswettbewerbes die Kosten-Nutzenrelation sehr einleuchtend auf.[i] Im Ergebnis wird deutlich, dass die Planungskosten bei Auswahl eines der vier ersten Preise insgesamt zwischen 1,5 und 1,7% stiegen, der Auftraggeber dafür aber 25 Entwürfe zur Auswahl hatte.
Die Baukostenstreuung zwischen dem teuersten und dem günstigsten Entwurf lag bei ca. 30%. Die meisten prämierten Arbeiten lagen im günstigen Feld, analog zur schlechteren Preisgerichtsbewertung stiegen die Baukosten jeweils höher. Kurzum für eine verschwinden geringe Erhöhung der Planungskosten bietet sich dem Auftraggeber ein unvergleichlich breites Spektrum an Problemlösungen und eine zielgerichtete Auswahl günstiger Planungsvorschläge. Kein zweites Mal kann er während der Projektabwicklung so viel sparen wie hier.
Zu aufwendig? Das stimmt nicht; wer als Auslober einen Architektenwettbewerb erwägt, erhält bei der Architektenkammer professionelle und unbürokratische Hilfestellung von der Vorbereitung bis hin zur Preisgerichtssitzung. Hier entsteht mit Sicherheit kein höherer Aufwand als bei anderen zulässigen und korrekt durchgeführten Auswahlverfahren.
Zu langwierig? Auch nicht richtig; wer schon einmal ein VOF-Verfahren als Alternative durchgeführt hat, weiß, dass von der Veröffentlichung über Auswertung der Bewerbungen, Auswahl des engeren Teilnehmerkreises, Vorverhandlungen, gegebenenfalls mit eingebundener Konzeptabfrage, bis hin zur Auftrags-vergabe, genauso viel Zeit benötigt wird, wie für einen kammerbetreuten Wettbewerb, bei dem am Ende aber auch eine brauchbare Entwurfsplanung vorliegt.
Zu risikoreich? Nun gut, sicher besteht die Möglichkeit, dass ein allzu unerfahrenes Büro unter den Preisträgern ist. Und schönreden darf die Architektenschaft auch nicht; schwarze Schafe gibt es in jedem Berufsstand. Der eine oder andere öffent-liche Auftraggeber hat auch schon ungute Erfahrungen gemacht. Aber das Verfahren läßt sich durchaus gut steuern. Zum einen ist der Auslober nur verpflichtet, unter den Preisträgern zu wählen, kann also auch in dieser Phase noch die Eignung des jeweiligen Büros prüfen, zum anderen sind Stufenverträge oder die Forderung einer Partnerschaft mit erfahrenen Kollegen geeignete Mittel, um möglichen Risiken zu begegnen. Da bleibt nicht viel von den Argumenten gegen den Wettbewerb.
Was vielmehr spricht dafür? In seiner letzten Regierungserklärung hat Ministerpräsident Kurt Beck gesagt: ‚Besonderen Einfluß auf das Wohlbefinden hat aber selbstverständlich auch die gebaute Umwelt. Kultur und Qualität des Bauens sind tragender Bestandteil unseres Gemeinwesens.‘[ii]
Er bringt damit auf den Punkt, welchen Stellenwert Baukultur in der Gesellschaft hat. Gebäude sind zwangsläufig im öffent-lichen Raum stehende Kunstobjekte im Wortsinn und wir können uns ihnen nicht entziehen wie einem schlechten Bühnen-stück oder einer schlechten Bilderausstellung. Wir alle müssen diese Kunst ertragen und sie prägt unsere Kinder und die folgenden Generationen. Konsequenzen aus dieser Erkenntnis werden aber nicht gezogen. Der Statusbericht Baukultur in Deutschland resümiert: ‚Der Stellenwert des öffentlichen Dialogs wird im europäischen Ausland deutlicher erkannt. Dort wird Baukultur auch bewußter als nationales Markenzeichen präsentiert...Deutschland ist in diesem Wettbewerb in den letzten Jahren in Rückstand geraten...Vor allem sind die öffentlichen Bauherren in ihrer Vorbildfunktion angesprochen.‘[iii]
Was ist zu tun? Allen Unkenrufen zum Trotz: Ausschließlich im bewährten Architektenwettbewerb, für den es schon seit mehr als 100 Jahren verbindliche Regeln gibt, stehen die Teilnehmer in Konkurrenz um die beste Lösung, und die Auftragsvergabe ist direkt abhängig von der Qualität der Entwurfslösung. So erhält der Auftraggeber eine Vielzahl funktional, formal und wirtschaftlich optimierter Entwürfe, was bei allen anderen Auswahlverfahren und Direktbeauftragung eines Architekten niemals in einer solchen Bandbreite zu erwarten ist. Die Architektenschaft hat sich diesem einzig fairen Auswahlverfahren über Jahrzehnte hinweg gestellt und dabei in einer für einen Berufsstand einmaligen Wettbewerbsform auch einen enormen wirtschaftlichen und ideellen Beitrag zur Baukultur geleistet. Die Basis der Architektenschaft ist gut beraten, gerade in Zeiten schwächelnder Konjunktur gemeinsam und mit Nachdruck Wettbewerbe zu fordern. Das ist besser, als das Feld denjenigen zu überlassen, welche andere Wege als Architekturqualität zum Auftrag hin beschreiten.
Das Land als wichtigster öffentlicher Auftraggeber und Fördermittelgeber muß seiner Verantwortung für Baukultur gerecht werden und den Worten auch erkennbare Taten folgen lassen. So kann es nicht sein, dass es keine verbindlichen Regelungen z.B. für den Schulbau gibt, welche Fördermittelzusagen von durchgeführten Wettbewerben abhängig machen. Gleichzeitig ist völlig selbstverständlich, dass zum Wohle des Handwerkermittelstandes Fördermittel von der Anwendung der VOB abhängig sind. Die Architektenkammern in Bund und Ländern sind weiter-hin gefordert, mit Nachdruck auf allen politischen Ebenen auch weiterhin für den klassischen Wettbewerb zu argumentieren und gegebenenfalls vereinfachte Vorgehensweisen bereitzustellen. Der klassische Wettbewerb war über viele Jahrzehnte hinweg und ist auch heute noch das fairste und effizienteste Instrument, um gute Architekten zu finden und damit Baukultur zu fördern.
[i] DAB 5/02 - Der Wettbewerb als Instrument zur Kostensteuerung
[ii] Kurt Beck: Verantwortung für Rheinland-Pfalz. Unsere Heimat - unsere Zukunft
[iii] Kurt Bodewig: Statusbericht "Baukultur in Deutschland"